Die Schweizer werden ja bekanntlich als recht eigenbrötlerisch beschrieben. Genau das sind sie auch, laufen hier doch oftmals viele kleine Projekte im Rollenspielbereich, aber kaum etwas Grösseres. Da mag es nicht verwundern, dass die Rollenspiel-Community der Schweiz, wenn man sie so nennen möchte, über die Berge hinaus kaum wahrnehmbar ist.
In Deutschland, welches in der Fläche natürlich um einiges grösser als die Schweiz ist, gibt es einige grössere Rollenspieltreffen und sogar 2 Messen, in denen ein grosses Thema eben auch Rollenspiel à la Pen and Paper ist, und viele Foren, in denen man sich untereinander kennt.
Das läuft hier etwas anders. Hier kennt hauptsächlich der eine den anderen, der wieder jemanden kennt und der lernt dann irgendwo, meist auf einem privaten Treffen, auch den ersten kennen. Eine Kommunikation über grössere Plattformen, ausser vielleicht Facebook, ist eher selten (wir werden hier von den wenigen Communities, die es gibt, auch noch berichten); nein, Mundpropaganda von Kumpel zu Kumpel ist das, was hier am geeignetsten erscheint.
Ein Deutscher würde wahrscheinlich sagen, dass sowas auf Dauer nicht funktionieren kann, aber bisher hat es recht gut funktioniert, zumindest innerhalb der Schweiz. Deswegen gibt es ein Rollenspieltreffen nun schon einige Jahre lang. Genau, ich schreibe von der OerliCon, die ihren Ursprung in Oerlikon hat und nun ihr Zuhause ein Pfadiheim an der Badi von Dietikon nennt. Neben der “Dice Night” ist sie eine der grösseren Rollenspieltreffen der Schweiz und hat mittlerweile für viele Begeisterte Tradition.
Wie soll man sich das nun aber vorstellen? Hallen voller Menschen, dicht gedrängt an Ständen mit Rollenspielmaterial, ähnlich wie die RPC?
Nein.
Die OerliCon ist familiär gehalten, findet in einem Pfadihaus mit mehreren Tischen statt, an denen draussen wie auch drinnen dem Hobby gefröhnt werden kann. Angemeldete Spielleiter bieten Runden an und Spieler können so ihre heiss geliebten oder auch völlig neue Systeme spielen und antesten. Ausserdem stehen stets auch andere Brettspiele zur Verfügung, um Spielern, die gerade nicht zu tun haben, die Langeweile zu nehmen.
Nun möchte ich einmal meine Erlebnisse der OerliCon schildern.
Freitag, der 26.8.2011 – Tag 1:
Die Anreise alleine war schon ein Abenteuer für sich. Wir verfuhren uns Dank nicht funktionstüchtigem Navi bis ich mich dann der Karte annahm und unseren Fahrer doch noch zum Zielort lotsen konnte.
Recht früh angekommen hiess es dann: Schlafplatz sichern, sich in die ausgehängten Runden eintragen und für die erste Rollenspielrunde vorbereiten. Es sollte Dungeonslayers werden.
Doch wie kommt es so oft? Richtig: anders, als man denkt. Zum Termin für Dungeonslayers hatten sich noch zu wenig Leute eingetragen, also spielten wir erst einmal “Zum Roten Drachen” mit der Erweiterung “Zum Blauen Drachen”. In diesem Spiel, welches inklusive der Erweiterung zu acht spielbar ist, geht es darum, dass man als Abenteurer am Ende des Erlebten in einer Taverne typischerweise sein erbeutetes Geld versäuft und verspielt und sich untern Tisch säuft. Ob nun Zauberer, Priesterin, Krieger, Schurke, Barde oder ein anderer Archetyp, jeder von ihnen hat seine Vorteile und fiesen Gemeinheiten auf Lager, um den anderen die Trinkfestigkeit zu nehmen, den Alkoholgehalt hochzupuschen oder Geld abzuknöpfen. Wer am Ende noch Geld und sich noch nicht untern Tisch gesoffen hat, der wird zum wahren Helden ernannt. Zumindest so lange, bis man eine zweite Runde spielt und alles anders wird.
So spielten wir über den Starttermin von Dungeonslayers hinaus und nach dem Spiel stellte ich fest, dass sich zwei meiner Mitspieler noch eingetragen hatten. Es wäre allerdings nur noch eine Stunde Zeit gewesen bis mein zweites Rollenspiel angefangen hätte, welches ich unbedingt testen wollte, also musste ich meine erste Runde dann leider absagen und ein paar Personen enttäuschen. An diesem Beispiel sieht man, dass man sich stets vor Beginn einer Runde eintragen sollte. Wäre das nämlich geschehen, hätte ich die Runde durchführen können und hätte nicht die Taverne besucht.
Aber Shit Happens und so wurde sich auf die nächste Runde vorbereitet und noch etwas mit anderen geschwatzt. Ich traf wieder einige bekannte Gesichter, bin ich doch selbst nun schon zum vierten Mal dabei!
Das nächste Abenteuer, was es zu bestreiten galt, fand im System “Victoriana” statt. Ein Rollenspiel mit Fantasyelementen im viktorianischen England. Wir erhielten vorgefertigte Charaktere; praktisch. Ich hatte vor dem Spiel meine Wünsche zum Charakter äussern können und bekam einen auf mich gut zugeschnittenen, schurkisch veranlagten Helden.
Meine Mitstreiter waren ein adliger Magier, ein Butler, der sich für was Besseres hielt, ein dilettantischer Halboger-Privatdetektiv ohne viel Weisheit und ein Assassine der Unterschicht. Gemeinsam waren wir zu einem Herrenhaus eines Adligen gerufen worden, lernten uns dort mehr oder weniger kennen und hatten einen Dolch zu besorgen. Dass daraus eine Geisterjagd und eine Begegnung mit einem Dämon werden würde, war uns zu Beginn überhaupt nicht klar.
Das Spiel war angenehm, der Spielleiter, der zum ersten Mal ein Spiel geleitet hatte, machte seine Sache gut und wir spielten mit viel Freude und Spannung bis weit in die Nacht hinein und endeten irgendwann so gegen 2 oder 3 Uhr.
Es war ein wunderbarer Start in den nächsten Tag, doch erst einmal hiess es eine Mütze Schlaf holen!
Samstag, der 27.8.2011 – Tag 2 – Märchenstunde, Werwolfgeschichten und Mutantenkräfte:
Tag 2, es war noch viel zu früh, aber an Schlafen war nicht mehr zu denken. Ein wenig zum Morgen essen, einkaufen gehen und dabei entdecken, dass der Quartierladen dicht ist und dann nachsehen, was man als nächstes tun könnte. Ich selbst nutzte die Zeit bis zu meiner nächsten Runde, um mich noch ordentlich drauf vorzubereiten. Schliesslich war ich Spielleiter und so feilte ich noch ein wenig an den Charakteren und der Geschichte. Da ich nicht viel vorbereite, sondern meist nur ein paar kleine Stichpunkte habe, war das allerdings nicht allzu zeitaufwendig.
Mittags war es dann soweit, ich startete mit Grimm und meine vier Mitspieler verwandelten sich in zwölfjährige Kinder, die durch ein Tor in eine Welt kamen, die voller Märchen stecken sollte.
Für die OerliCon hatte ich mir dabei eine abgespeckte Version eines Abenteuers überlegt, welches ich in meiner festen Runde demnächst leiten möchte. Sie war so gehalten, dass sie in einer Zeitspanne von 4-5 Stunden spielbar ist und trotzdem noch Platz für viel Rollenspiel beinhalten sollte. Kämpfe waren gar nicht vorgesehen. Natürlich war sie dementsprechend linear gehalten, bzw. hatte sie Elemente, die der Gruppe das Ausscheren etwas schwerer machten.
Das Eintreffen in der Welt hatte ich eigentlich als eine Zusammenfassung geplant gehabt, doch nach den ersten beiden Sätzen dieser Einleitung wurde schon kräftig gespielt und ich spielte einfach mit. Wenn die Spieler lieber das Eintreffen in die Welt ausspielen wollen, warum nicht, dann geht man eben einfach darauf ein.
Über das Abenteuer selbst werde ich keine grossen Worte verlieren, denn ich werde es noch in ausgebauter Form als PDF zur Verfügung stellen. Ausserdem könnte meine feste Runde diese Zeilen noch lesen und diese will sicher nicht gespoilert werden.
So viel sei aber gesagt: nach der ersten Verwirrung erkundeten die Kinder erst einmal die Stadt, in die sie gekommen waren, stibitzten sich das erste Geld dieser Welt, kleideten sich neu ein und bekamen einen grossen Hund als Begleiter. Auch lernten sie ein wenig Magie kennen und entdeckten, dass hier nicht nur Menschen lebten.
Einer der Kinder, der Bully, legte sich dann während des Spiels mit einem Zwerg an. Es war eine Wette mit dem Nerd der Gruppe, dass der Bully sicher nicht gegen einen Zwerg gewinnen könnte. Der Bully, welcher sich über das kleine Volk stets lustig machte, geriet dabei an einen ziemlich gutmütigen, aber doch leicht reizbaren Zwerg, welcher auf Drachenjagd war und den Bully beinahe mit seiner Grossaxt in zwei Hälften geteilt hätte. Kurz darauf folgte noch eine weitere Wette “Doppelt oder nichts!” und sie beinhaltete das Wetttrinken mit dem Zwerg, woraufhin der schwer angeschlagene Bully komplett hinüber war und am Boden seinen Rausch ausschlief.
Durch einen guten Rat kamen die anderen Kinder dann irgendwann einmal darauf, dass man seinen gefallenen Mitstreiter doch mal verarzten könne und das Abenteuer ging weiter.
Alles in allem lief es gut. Die Rätsel waren verhältnismässig einfach gewählt, damit es nicht allzu lang werden würde. Sie werden in der festen Runde dann schwerer. Die Gruppe selbst machte keinen rechten Versuch aus der Handlung auszubrechen. Dabei hätten sie Möglichkeiten gehabt, welche sie aber nicht nutzten. So war es für mich vom Rollenspiel her ganz toll, denn es wurde wirklich schön gespielt, aber an Überraschungsmomenten hat es gefehlt. Mal sehen, wie dies beim langen Spiel mit diesem Abenteuer sein wird.
Es war dann um die 19 Uhr herum und die nächste Runde sollte 20/21 Uhr beginnen. Also war keine Zeit für Rollenspiel, sondern es wurde erst einmal gegessen, die Küche bot leckere Nudeln mit verschiedenen Sossen an. Dies ist eine der Traditionen, genau wie das Grillen draussen bei schönem Wetter.
Beim Grill wurde dann “Werwolf” gespielt. Dabei meine ich das Kartenspiel, nicht das Rollenspiel von White Wolf. Sechzehn Dorfbewohner versuchten die Wölfe unter sich zu finden. Es waren recht viele Wölfe, leider war mir ein Wolf zu viel in die Gruppe gerutscht, da ich bei Vergabe der Karten bei einem Nachzügler nicht genau nachgesehen hatte, welche Karte ich ihm gab. So waren es statt 5 Wölfen ganze 6 und durch verdecktes Spiel war es für die Dorfbewohner zwar spannend, aber fast unmöglich, die Wölfe ausreichend zu dezimieren.
Trotzdem, es sah streckenweise ganz gut aus, bis die Hexe dann noch die Seherin auf dem Gewissen hatte, welche zwar einen Werwolf mit in den Tod riss, aber vielleicht lebendig noch bessere Argumente zur Findung von den Wölfen hätte liefern können. Der Jäger wurde von den Dorfbewohnern getötet und nahm noch den Kultistenführer mit sich, leider aber eben auch keiner der Wölfe. So hatten diese dann ein sehr leichtes Spiel.
Alles in allem war es aber sehr unterhaltsam und gesellig und ein guter Puffer zwischen Essen und Preisverleihung.
Preisverleihung? Oh, ich vergass etwas. Im Laufe des Samstages, ebenfalls eine OerliCon-Tradition, gibt es stets einen Wettbewerb mit mehreren Disziplinen. Immer wieder lässt sich die Orga etwas Neues einfallen und dieses Mal war es Panzerwettfahren (bei dem man die Schnur des Panzers schnell genug auf einen Stock aufrollen musste, sodass der Panzer über die Ziellinie fahren konnte), Munchkin Memory auf Zeit, “Was ist in der Kiste”-Tastspiel und Munchkin Quest-Dungeonkarten-Zielwerfen. Aus diesen Disziplinen sollten dann Gesamtsieger, sowie Sieger der Einzeldisziplinen bekannt gegeben werden bis keine Preise mehr auf dem Tisch vorhanden waren.
Den Preis des Gesamtsiegers staubte ich dabei ab und jeder andere aus meiner Gruppe, welche mit mir zusammen angereist war, bekam ebenfalls etwas. Wir sahen uns als Sieger des Tages. Ich fand es besonders schön, dass unser Fahrer, der ja gleichzeitig auch Neuling war, genau das ergattern konnte, was er haben wollte, ein Warhammer 40k Regelwerk (Freihändler) und somit auf seiner ersten OerliCon ein richtiges Erfolgserlebnis hatte.
Nach der Preisverleihung war es dann soweit in die Rolle meiner Mutantin aus einem Forenrollenspiel zu schlüpfen und mit anderen Spielern aus dem Forum gemeinsam auf der OerliCon ein kleines Abenteuer zu erleben. Wir spielten einen Part, der im Rollenspiel später die kommende Nacht darstellen sollte und erlebten gemeinsam einiges und gelangten dabei an ganz skurrile Informationen. Es war sehr erheiternd und auch extrem lang. Erst vier Uhr wagten wir uns von dem Tisch zu lösen und die Würfel liegen zu lassen und suchten das Bett auf.
Ein Kollege von mir leitete noch immer seine zweite Runde Victoriana und erzählte mir dann am folgenden Tag, dass er sogar komplett durchgemacht hatte.
Sonntag, der 28.8.2011 – Tag 3 – Gute Nacht…:
Ich hatte relativ lange geschlafen, trotz Schnarcher im Schlafraum und daher lief dann nicht mehr viel: packen, aufräumen und schon wieder Abschied nehmen. Ein wenig wurde hier und da noch gequatscht, doch dann ging es, verdammt übermüdet, wieder nach Hause. Die OerliCon war vorbei, ich hatte wieder mehr im Gepäck als ich hergekommen war und war um einige Erfahrungen reicher geworden. Zu Hause entspannte sich unser kleines Grüppchen noch etwas, quasselte noch über die Erlebnisse der Tage und freute sich schon wieder auf das kommende Jahr.
Genau, nächstes Jahr, ungefähr wieder um die gleiche Zeit, wird es wieder heissen: OERLICON, WIR KOMMEN!
Hier einmal noch drei Links zu Rollenspielcons der Schweiz: