Ich liebe Retro-Games. Und in Sachen Pen and Paper gehört Labyrinth Lord eindeutig zu den Retro-Games. Das System basiert auf der ersten Edition des Dungeons and Dragons Regelwerkes. Schon das Titelblatt und der Titel geben einem das wunderbare Gefühl von etwas aus der Vergangenheit, aus der Zeit, in der es lediglich den Drachen zu töten und die Prinzessin zu retten und nebenbei noch 1w4 Schätze abzustauben gab.
Die erste Auflage von Labyrinth Lord erschien 1974 in Amerika im Goblinoid Games Verlag und wurde 1981 nochmals überarbeitet, blieb aber in Amerika. Jetzt, rund 30 Jahre später, bringt uns der Mantikore Verlag die deutsche Übersetzung nach Europa und damit die ganzen Freuden, die mit diesem System verbunden sind. Wäre dieses System ein Videospiel, würde ich es als ein “Pick up and Play” Titel bezeichnen. Es werden keinerlei Vorkenntnisse im Rollenspielen benötigt, um Labyrinth Lord zu verstehen.
Die Regeln sind recht übersichtlich aufgelistet. Das Buch beginnt mit den wichtigsten Regeln und die zur Charaktererschaffung. Dann folgen wichtige Listen für Monster, Zauber und Gegenstände, und anschließend weitere Regeln, z. B. für Seekämpfe, Auswürfeln von Begegnungen im Dungeon / an der Oberfläche sowie andere nützliche, aber nicht unbedingt notwendige Dinge. Das Ganze ist so gehalten, dass man das Buch durchlesen kann, ohne gross blättern zu müssen.
Allerdings versorgt uns das Grundregelwerk neben den Regeln nur mit wenigen Hintergrundinformationen zu der Welt, in der das Rollenspiel stattfindet. Für eine Runde im Stil von
- Rein in den Dungeon
- Monster plätten
- Schätze abgrasen
- Endboss plätten
- Prinzessin retten
- Raus aus dem Dungeon, um den Nächsten zu suchen
sind alle Grundlagen da. Nach einigen muss man, je nachdem, tiefer suchen (wie z.B. die Regeln für die Würfelproben sowie die Würfe in einem Kampf, die man lediglich dem Kampfbeispiel vollständig entnehmen kann). Sobald man ein wenig tieferes Rollenspiel betreiben will, stösst man ebenfalls bald an seine Grenzen. Wer zum Beispiel einen Gott für seinen Kleriker aussuchen will, sucht vergeblich nach einer Liste derselben. Auch fehlen Angaben zu Organisationen wie der Bösen Ghulfestung, irgendwelchen Clans, der Kirche, eventuellen Sekten und was sonst noch so existieren könnte. Was allerdings auch sein Gutes hat. So wird das Spiel recht anpassungsfähig. Man kann das Meiste aus dem Dungeons and Dragons Universum (aus welchem auch immer) übernehmen, auf dem Labyrinth Lord ja basiert. Oder man übernimmt Hintergründe aus Spielen wie DSA oder Earthdawn. Und wem das alles nicht gefällt, der hat immer noch die Möglichkeit sich etwas total Eigenes auszudenken. Die Charakterklassen sind ebenfalls recht allgemein. Es existieren 4 Rassen: Elfen, Zwerge, Menschen und Halblinge. Wählt man einen Menschen, kann man zwischen den Klassen Kleriker, Magier, Krieger und Schurke wählen.
Das Balancing ist ähnlich wie bei der ersten Edition von DnD: Hatte man bei der Charaktererstellung Würfelglück und die Werte richtig verteilt, ist der Kampf ein Leichtes. Hat man vor einen Allrounder zu basteln, der ein wenig von allem kann, geht das meistens nach hinten los. Spezialisierungen sind hier das Stichwort. Labyrinth Lord steht nicht für komplexe, sondern für schnelle Charaktererstellung.
Zusätzlich zum Grundregelwerk habe ich mir den ersten Band der Larm Chroniken, einer Kampagne für Charaktere der Stufe 1-5, genauer angeschaut. Darin findet man die typische, solide Kampagne, wie es sie bereits im Dungeons und Dragons Zeitalter gab, aus dem sie auch laut Vorwort in etwa stammt. Die Grundstory ist recht simpel: Die Helden erreichen das Dorf Larm und sollen im Auftrag des Bürgermeisters einige komische Angelegenheiten unter die Lupe nehmen. Natürlich stellt sich dann heraus, dass mehr hinter diesen Zwischenfällen steckt als zuerst angenommen und die Helden sehen sich mit immer mächtigeren Gegnern konfrontiert. Dieses Abenteuer enthält von der Bürgermeisterstochter, die gerettet werden muss, bis zum untotenverseuchten Tempel alles, was man sich nur wünschen kann. Eine wunderbar geschriebene Kampagne mit vielen Nebenquests sowie einer packenden Hauptqueste, vielen äusserst nützlichen Tabellen und ähnlichen Hilfsmittel, die das Spielerlebnis interessant machen.
Die englische Version von Labyrinth Lord ist gratis im Internet auf der Website des englischen Erfinders, Goblinoid Games, erhältlich. Die deutsche Version ist für den (meiner Meinung nach äusserst angemessenen) Preis von nur 30.50 Sfr beim Mantikore Verlag erhältlich. Der erste Band der Larm Chroniken ist für 23.50 Sfr ebenfalls beim Mantikore Verlag erhältlich.
Fazit:
Labyrinth Lord ist ein wunderbares kleines Rollenspielsystem, das ein wohliges Retro-Feeling mit sich bringt. Es ist sehr anfängerfreundlich, auch wenn man sich am Anfang ein wenig durch die ganzen Tabellen beissen muss. Die Charaktererstellung funktioniert rasch, und danach kann man eigentlich sofort zu spielen beginnen. Der Mangel an Hintergrundinformationen ist zugleich ein Vor- sowie ein Nachteil, da es tieferes Rollenspiel zuerst ein wenig blockiert, jedoch Raum für eigene Welten zulässt.
Bewertung: 7/10
Die Larm Chroniken sind eine interessante, gut ausgearbeitete Kampagne mit viel Hintergrundinformationen sowie vielen nützlichen Tabellen. Sie führt die Spieler gut in die Rollenspielwelt ein und zeigt einem Spielleiter, worauf es bei einem Abenteuer ankommt.
Bewertung: 9/10
Webseite des Verlags: http://www.mantikore-verlag.de